Obwohl Debby noch immer über dem Golf von Mexico hängt und es die ganze Nacht geregnet hat, machen wir uns heute morgen auf den Weg in die Everglades. Wir hoffen, dass wir einfach Glück haben und einen trockenen Slot erwischen. Und es scheint tatsächlich so. Auf der Fahrt dorthin gibt es zwar wiederum einige dunkle Wolken (wohl eher schwarz), aber es regnet nicht. Und als wir im Everglades National Park ankommen, ist es sogar schwül heiss. Die dunklen Wolken haben sich verzogen . Zwar kein blauer Himmel, aber immerhin können wir die Trails machen und sogar hoffen, dass wir Alligatoren und andere Tiere sehen.
Als erstes begeben wir uns auf den Anhinga-Trail. Beim Laufen und Überqueren der Holzstege fühlen wir uns wirklich wie echte Urwald-Forscher, das Knurren der Alligatoren ist nicht zu überhören, nur rauskommen wollen die Viecher nicht. Und doch – plötzlich sehen wir einen bedächtig durch das Wasser gleiten. Fasziniert verfolgen wir ihn, bis er irgendwo im Sumpf entschwindet. Zudem gibt es hier auch eine viele Vögel, darunter auch schwarze, furchteinflössende Geier- Die sehen wir auch, und getrauen uns kaum an ihnen vorbei, da sie lechzend und kämpfend direkt neben dem Trail innehalten.
Danach begeben wir uns auf den zweiten Trail, den Gumbo Limbo Trail. Limbo hat nichts mit dem zweideutigen Tanz zu tun, sondern der Gumbo Limbo ist ein heimischer Gummibaum. Im Gegensatz zum Anhinga-Trail führt dieser durch den Dschungel und schon nach wenigen Metern im dichten Urwald kommt unser Anti-Brumm (von der Migros, Kassensturz Punkte 2.9) an den Anschlag. Die Moskitos fallen über uns her wie Piranhas und wieder einmal frage ich, warum sich der Mensch so was überhaupt antut. Ich war schon viel in den Tropen unterwegs, habe schon viele Moskito-Attacken überstanden, aber diese hier schlägt alles. Es war einfach nur entsetzlich!
Plötzlich höre ich ein Schrei: „hier kommen wir nicht weiter!“ ruft Silvana, und kommt mir wieder entgegen, obwohl sie mit Jana 20m voraus war. Dann sehe ich auch den Grund. Mitten auf dem Trail hat sich ein riesiger, fetter Alligator zur Ruhe gelegt und versperrt den Weg. Es gibt kein weiterkommen. Als erstes zücke ich meine Kamera und fotographiere das Vieh. Jana dasselbe mit der Filmkamera. Als Mutprobe wäre ich wohl über den Alligator gesprungen und dann davon gerannt, in der Hoffnung, das Vieh hätte mich nicht in der Luft geschnappt. Aber zu dritt drüber springen? Das wäre wohl mehr als überheblich und anmassend. Also nehmen wir den gleichen Weg zurück, nochmals durch die Moskito-Horden.
Wieder am Anfang des Trails gehe ich in die entgegengesetzte Richtung. Ich will den Alligator noch von vorne fotografieren. Also wieder durch den Dschungel, wieder durch die Moskitos und dann sehe ich ihn. Den Kopf erhoben, etwa 4m lang, mitten auf dem Weg. Jana begleitet mich, wir schleichen uns an wie die Seminolen-Indianer und knipsen, was das Zeug hält. Gleichzeitig werden wir wiederum von Horden von Moskitos überfallen, ich sehe kaum was, und drücke dauernd auf den Auslöser (mehr seht ihr auch unter Fotos unserer Reise). Plötzlich bewegt sich der Alligator und sieht uns. Au weia, nichts wie weg und raus hier.
Nach drei Stunden verlassen wir den Everglades N.P. mit mehr Eindrücken, als wir zu erhoffen wagten. Es war ein echtes Abenteuer. Nur die juckenden und geschwollen Moskito-Stiche lassen uns ein wenig hadern. Aber das gehört dazu und ist vergänglich.
Kaum sind wir aus dem Park, ziehen wieder dunkle Wolken auf. Wie konnten wir nur Debby vergessen! Unser nächstes Ziel ist Everglades City, wo ich eine Airboat-Tour gebucht habe. Darauf freuen wir drei uns wie kleine Kinder. Wir nehmen den Tamiami-Trail, die 41 North, Richtung Westküste. Und plötzlich schüttet es wieder aus allen Rohren, ich habe gar nicht gewusst, wie schnell Scheibenwischer eigentlich hin und her fegen. Faszinierend…die höchste Stufe reicht gerade aus, um kurz was zu sehen. Ein asiatischer Monsunregen ist nichts dagegen. Und zudem bleibt der Wagen schön sauber.
Nach zwei Studen kommen wir in Everglades City an und checken ein. Ein schönes, kleines Village, wahrlich das Ende der Welt. Hier könnte man den vierten Teil von „The Bourne Ultimatum“ drehen. So abgelegen und einsam. Es regnet übrigens immer noch…
Am nächsten Morgen gehen wir auf die Airboat-Tour. Natürlich regnet es immer noch, aber wir hoffen einmal mehr auf unser Glück. Und wirklich: um 10:15, als es losgeht, regnet es nicht mehr. Captain Mo‘ gibt uns Ponchos mit der lapidaren Aussage „it might rain“. Was für ein Sarkasmus.
Dann fahren wir los. Eine volle Stunde dauert der Trip, durch die Mangroven in einsame Buchten, rasante Vollgasfahrten mit 45 mph durch Sumpfkanäle, mit abrupten Stops und Richtungswechsel. Natur pur mit Achterbahn-Feeling, einfach nur fantastisch. Und dies ohne schlechtes Gewissen, ohne Co2-Abgabe, ohne Vignette und ohne Gurtenobligatorium mit kombinierter Helmpflicht. Wir sind einfach nur frei und geniessen den Augenblick.
Was für ein Abenteuer! So haben wir uns das vorgestellt. Wir haben in den Everglades unvergessliche und eindrückliche Momente erlebt, welche noch lange in unserer Erinnerung bleiben. Und damit machen wir uns auf den Weg nach Fort Myers.
Es war einfach „just great“!